Internationale Forschungen belegen, dass höheres Student Engagement positive Auswirkungen auf das Lernen, die akademische Leistung, auf das Wohlbefinden und die Zufriedenheit sowie einen positiven Einfluss auf das spätere Arbeitsleben nimmt (u.a. de Zordo, Hagenauer & Hascher, 2019; Hagenauer et al., 2018a). Strukturelle Merkmale der Hochschule, die dort Lehrenden und die Qualität der Lehre sind im Sinne eines „educational interface“ eng mit dem Konzept des Student Engagement verknüpft (Kahu, 2013; Kahu & Nelson, 2018). Im vorliegenden multimethodalen Forschungsprojekt, das als dreijährige Längsschnittstudie angelegt ist, wird die Schnittstelle von personalen Komponenten des Student Engagement mit psychosozialen Rahmenbedingungen an den Ausbildungsinstitutionen (Workload, Anforderungen, Lehre, Beziehungen zu den Lehrenden) und strukturellen Merkmalen der Ausbildungsinstitution (Curriculum, Zulassung zum Studium, Kultur, Werte, Richtlinien) erfasst. Die proximalen Auswirkungen auf der kognitiven Leistungsebene (Noten, Kompetenzen, Wissen, Lernverhalten) sowie der sozial-emotionalen Ebenen (Lernemotionen, Wohlbefinden, Zufriedenheit) werden in einem Längsschnittdesign über drei Jahre analysiert (Modul 1). Neben standardisierten Skalen werden auch andere Methoden wie Emotion Experience Sampling mittels digitaler App (Modul 2) sowie mittels qualitativer Methoden in Form von Gruppendiskussionen mit Lehrenden (Modul 3) eingesetzt. Aus den Ergebnissen sollen Schlussfolgerungen für die Förderung des Student Engagements sowie die verhaltens- und settingbezogene Gesundheitsförderung im weiteren Sinne gezogen werden. Zudem sollen Implikationen für die Qualitätsverbesserung der Lehre, die Professionalisierung der Hochschullehrenden und strukturelle Maßnahmen für die Organisationsentwicklung abgeleitet werden.
Um in einem Professionalisierungsprozess die Perspektive der Schülerinnen und Schülern mit der Selbsteinschätzung der Lehrkraft vergleichen zu können ist es eine Bedingung, dass Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung dasselbe messen. Erst wenn dies gegeben ist, kann der Vergleich der beiden Einschätzungen aussagekräftig sein und zur persönlichen Weiterentwicklung herangezogen werden. Das Forschungsprojekt greift diese messtheoretische Voraussetzung auf und stellt die Frage: Können Lehramtsstudierende und im Beruf stehende Lehrkräfte die Selbsteinschätzungen der eigenen Klassenführung direkt mit den Einschätzungen durch Schülerinnen und Schülern vergleichen, oder sind Unterschiede in den Einschätzungen behaftet mit einem Bias in der Messung?
PL (2018 – 2023): HS-Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr. Georg Krammer
Das Projekt adressiert diese Herausforderungen und entwickelt ein Rahmenmodell für kompetenzorientierten, fächerübergreifenden naturwissenschaftlichen Unterricht und Reflexion von Unterricht in der Primarstufe, das auf dem Konzept des „Science Capital“ basiert. „Science Capital“ beschreibt persönliche Ressourcen, Erfahrungen und Einstellungen zur Naturwissenschaft, die früh im familiären Umfeld geprägt werden. Für den deutschsprachigen Raum wird eine Interviewstudie durchgeführt, um Begrifflichkeiten, Erfahrungen und das Selbstkonzept von Kindern in Bezug auf MINT bzw. Naturwissenschaften zu erfassen.
Zentrale Ziele des Projekts:
1) Erhebung des MINT-Kapitals von Primarstufenschüler*innen der Grundstufe 2: Durchführung und Auswertung semi-strukturierter Interviews und Entwicklung eines standardisierten Fragebogens zur Erfassung des MINT-Kapitals für die Grundstufe 2.
2) Entwicklung eines Rahmenmodells für Aus- und Fortbildung zur Förderung von kompetenzorientiertem, fächerübergreifendem MINT-Unterricht sowie überfachlichen Kompetenzen und der Reflexion des Unterrichts bei angehenden und im Dienst stehenden Lehrpersonen. Förderung diversitätssensiblen Unterrichts: Stärkung der Eigenständigkeit von Schüler*innen, Chancengleichheit und alltagsrelevanter MINT-Bildung.
3) Evaluation des Modells der Perspektive von angehenden und im Dienst stehenden Lehrpersonen: Analyse der Akzeptanz und Wirksamkeit des Aus- und Fortbildungskonzepts, mit Fokus auf Einstellungen, Stereotype und Selbstwirksamkeit und Reflexion des Unterrichts, der Wahrnehmung von Anforderungen, der Berufs- und Arbeitszufriedenheit, Berufsmotiven und Erwartungen an die Arbeit sowie berufliche Werte und Haltungen von angehenden und im Dienst stehenden Lehrpersonen.
4) Evaluation des Modells aus der Perspektive von Schüler*innen zur Entwicklung des MINT Kapitals, Selbstkonzept, Interesse und Motivation, Stereotype von den Schüler*innen, der Lernfreude, der Anstrengungsbereitschaft und der Schuleinstellung vor und nach der Einführung des Rahmenmodells im Unterricht.
5) Implementation des Rahmenmodells: Verankerung als fester Bestandteil in der Lehreraus- und fortbildung.
Das Entwicklungs- und Forschungsprojekt adressiert die Förderung und Reflexion von MINT-Kapital sowie kompetenzorientierter fächerübergreifender Kompetenzen und überfachlicher Professionalisierung von angehenden und im Dienst stehenden Lehrpersonen. Durch das umfassende Rahmenkonzept wird die Förderung des MINT bzw. naturwissenschaftlichen Interesses und der Bildungsgerechtigkeit adressiert.
Für einen erfolgreichen Übergang sind spezifische Kompetenzen der Lehrpersonen erforderlich, die sowohl fachliche als auch didaktische Aspekte umfassen. Wissen über fachdidaktische Ansätze, über Inhalte des benachbarten Fachunterrichts sowie über Vorwissen und Präkonzepte der Schüler*innen kann den Lehrpersonen helfen, ihren Unterricht anzupassen und eine anschlussfähige Wissensvermittlung zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang spielt auch die Flexibilität der Lehrpersonen eine entscheidende Rolle, da sie in der Lage sein müssen, ihren Unterricht an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Schüler*innen in den Übergangsphasen anzupassen. Wichtige Maßnahmen sind hier eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Lehrkräften der Primar- und Sekundarstufe.
Ein zentraler Punkt des Projekts ist die Rolle der Hochschulausbildung (Aus- und Fortbildung von Lehrpersonen). Das Projekt untersucht, inwieweit Themen wie Transition und Vernetzung zwischen Bildungsstufen in den Curricula der Hochschulen integriert sind, welche Vorstellungen Hochschullehrpersonen über diese Übergänge haben und wie sie Ansätze zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Schulstufen in ihre Lehrveranstaltungen einbinden. Lehrende können durch ihre eigene Haltung und durch den Einsatz geeigneter Lehrmethoden erheblich dazu beitragen, wie Studierende die Bedeutung der Vernetzung zwischen den Schulstufen verstehen und in ihre zukünftige Lehrpraxis integrieren. Ziel ist es, auf Basis der Ergebnisse Vorschläge für curriculare Anpassungen zu entwickeln und die hochschuldidaktische Praxis weiterzuentwickeln.
Im Rahmen des Forschungsprojekts werden Studierende des Bachelorstudiums Lehramt Biologie und Umweltbildung und des Masterstudiums Lehramt Primarstufe in gemeinsamen Projektarbeiten und Treffen vernetzt. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit fördert das Verständnis für die Anforderungen der jeweils anderen Schulstufe, stärkt Kommunikations- und Teamfähigkeiten und erweitert die Reflexionskompetenz der Studierenden. Durch die Praxisnähe der Projektarbeiten wird den Studierenden ermöglicht, die theoretischen Konzepte direkt auf die Herausforderungen im Unterricht anzuwenden und ihre eigenen Lehrmethoden kritisch zu hinterfragen Die Projektergebnisse liefern wertvolle Erkenntnisse für die Ausbildung von Lehrpersonen und die Verbesserung des Übergangs zwischen Primar- und Sekundarstufe.
Das geplante Forschungsprojekt baut auf dem bereits abgeschlossenen Forschungsprojekt “SU-BU vernetzt” auf, welches in den Studienjahren 2022/23 und 2023/24 an der PH Steiermark durchgeführt wurde (Hecke, Hoheneder & Luschin-Ebengreuth, 2024).
Im Mathematikunterricht liegt der Fokus auf der Entwicklung adaptiver Module, die auf individuelle Lernbedürfnisse eingehen und mathematische Kompetenzen, Freude am Lernen sowie Selbstwirksamkeit fördern. Dabei kommen digitale Tools und KI-gestützte Methoden zum Einsatz. Auf systemischer Ebene wird untersucht, wie sich die Gelingensbedingungen des Modells für die nachhaltige Implementierung in weiteren Schulformen oder der Sekundarstufe II optimieren lassen. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Perspektive der verschiedenen Stakeholder, um praxisnahe Handlungsempfehlungen für Lehrkräfte, Schulen und die Bildungspolitik abzuleiten.
Durch eine Kombination aus qualitativen und quantitativen Forschungsansätzen soll das Projekt sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse zur Schul- und Unterrichtsentwicklung generieren als auch praxisrelevante Materialien wie Open Educational Resources und Leitfäden entwickeln, um das Grazer Modell langfristig als Best-Practice-Beispiel für inklusives, flexibles Lernen zu etablieren.